El Río Pastaza

El Río Pastaza
Become friends with people who aren't your age. Hangout with people whose first language isn't the same as yours. Get to know someone who doesn't come from your social class. This is how you can see the world. This is how you grow. - Unknown

Dienstag, 13. Oktober 2015

Tag 44

Im Schulbus entdecken wir heute eine Kakerlake auf Rahels Tasche, die wohl als blinder Passagier von zuhause mitgekommen ist. Leider haben wir in letzter Zeit häufiger ungebetene Gäste im Apartment. Inzwischen sind wir aber schon relativ gut darin geworden, diese schnell wieder nach draußen zu befördern :D.
Im Instituto basteln wir heute die piñata weiter und machen die Flagge, die wir vor kurzem angefangen haben, fertig.
In der Pause passiert etwas, das ziemlich gut wiederspiegelt, wie ich allmählich einen Draht zu den Kindern finde. Carlos, das neue Kind in der Gruppe, lebt aufgrund seiner Behinderung (Autismus) immer ein wenig in seiner eigenen Welt. Er redet nicht viel und wenn, dann wiederholt er situationsbezogen bestimmte Wörter oder Wortfolgen. Wenn man ihn anspricht, reagiert er selten, auch Blickkontakt vermeidet er meistens und wenn man ihn dann dazu bringen möchte, etwas Bestimmtes zu tun, kommt es nicht selten vor, dass er sich mit ganzer Kraft gegen einen wirft (wobei es bei seinem Gewicht nicht so einfach ist, Stand zu halten) und anfängt zu schreien. Ansonsten ist er immer sehr ruhig und beschäftigt sich selbst mit irgendwelchen Gegenständen.
Als ich heute in der Pause auf einer Bank sitze, eine Guave esse und mich mit Luis unterhalte, spüre ich auf einmal, wie sich ein Arm unter meinem Arm hindurch schiebt. Carlos hat sich neben mich gesetzt, seinen Arm unter meinen geschoben, hält ihn jetzt fest und legt seinen Kopf an meine Schulter. Als ich mich zu ihm drehe, reagiert er erst nicht aber als ich anfange, ihn zu kitzeln, lacht er und schaut mich dabei an. Außerdem lege ich meine eine Hand auf seine, woraufhin er seine andere Hand wiederum auf meine legt. Immer wieder ziehe ich meine Hände weg und das Alles geht von Neuem los.
Als Luis sieht, was gerade passiert, meint er "ya te ganaste a él" (sinngemäß übersetzt: jetzt hast du ihn für dich gewonnen). Tatsächlich scheint es so, als hätte sich irgendetwas in unserer zwischenmenschlichen Beziehung geändert, denn als Carlos sich später des Öfteren von der Gruppe entfernt und ich seinen Namen rufe, kommt er sofort zurück. Die anderen Male, musste ich ihm immer hinterherlaufen und es gab ein wenig Geschrei bis er wieder bei der Gruppe war.
Solche Kleinigkeiten sind es, die meinen Schulalltag bereichern. Die Arbeit mit den Kinder ist teilweise sehr anstrengend, da man permanent mental und physisch anwesend sein muss, aber jedes Lachen, Lächeln, jede Umarmung und jedes „gracias“ machen diese Anstrengung wett. Außerdem zeigt mir jedes "Hola Clarita" oder "Mira Clara" (= "schau mal Clara"), dass die Liebe und Zuneigung, die ich den Kindern weitergeben möchte und die sehr wichtig bei der Arbeit mit besonderen Menschen / Kindern ist, Wurzeln schlägt.
Nach einem kurzen Stopp im Zentrum, wo wir Kräuter für einen Tee und Avocado für die Haare kaufen, machen wir uns auf den Weg nach Hause.
Den restlichen Montag der 7. Woche verbringen wir mit Wäsche waschen, die Zeit genießen und essen. Zeit, zum Reflektieren und Verarbeiten der Ereignisse und der Umgebung ist essentiell und trägt dazu bei, dass ich mich hier so wohl fühle :).


Im Hintergrund mit der grünen Tür: Ruths Haus;
Im Vordergrund: der Garten + Hundehütten + das Ergebnis unserer Waschaktion :D
Beim Abendessen kommt (wie auch heute Morgen im Instituto) zur Sprache, dass heute der "Día del descubrimiento de América" (= Tag der Entdeckung Amerikas) ist. Dieser Tag wird hier teilweise auch als "el día más triste de América" (= traurigster Tag Amerikas) betitelt. Es ist interessant zu hören, wie Ruth die Entdeckung Amerikas vor genau 523 Jahren beschreibt. Natürlich kennt man viele Tatsachen im Bezug auf den Umgang Kolumbus' und seinen Begleitern mit den Indigenen Völkern. Dennoch gibt es mir nochmal ein ganz anderes Gefühl, wenn Ruth von der Kehrseite der Medaille erzählt, die unter anderem Zwangsdeportation, Auslöschung von Kultur und Sprache und natürlich unzählige Tote enthält. Bis heute sind diese Folgen spürbar und dieser Tag, der 12. Oktober, ist hier alles andere als ein Feiertag.
Saludos
Clara

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