Um 9.20 Uhr rufe ich Patricio dann mal an und tatsächlich steht er, wie er es mir am Telefon sagt, ein paar Sekunden später vor uns.
Mit einer ecuadorianischen Kleinfamilie aus Cuenca (Ecuador) und einem älteren Ehepaar aus Chile steigen wir in den kleinen 11-Sitzer-Bus und unser Ausflug beginnt. Wenige Sekunden später hält Patricio am Straßenrand und steigt aus um Orangen, Kekse und Wasser zu kaufen. Währenddessen lässt er den Motor aber weiterlaufen. Auch der Vater der Kleinfamilie steigt aus und nimmt von der anderen Straßenseite aus die Obstbestellungen seiner Frau entgegen :D. Als dann alle wieder eingestiegen sind, geht es weiter. Uns werden Mandarinen angeboten und während wir diese essen fahren wir zu unserem ersten Ziel: die "pesces gigantes". Das sind Fische, die in den Gewässern des Amazonasgebietes leben. Sie werden bis zu 3-4 Meter lang und bis zu 80 Kilo schwer. Für Menschen sind sie jedoch ungefährlich. Wir schauen uns die Fische an und füttern sie mit Goldfischen. Dabei erschrecke ich immer ganz schön, wenn einer der Fische auftaucht, um sich den Goldfisch zu schnappen.
Bevor wir weiterfahren bekommen wir noch Bananen in die Hand gedrückt. Wir halten noch einmal kurz und mit laufendem Motor und Patricio bestellt unser Mittagessen.
Ein bisschen später kommen wir dann an unserem Hauptziel an: dem Regenwaldschutzgebiet Fundación Hola Vida. Bevor wir die kurze Wanderung durch den tieferen Regenwald beginnen, zeigt uns Patricio noch ein natürliches Mückenschutzmittel. Er legt seine Hand auf ein Termitenbau, lässt ein paar der Termiten auf seine Hand krabbeln und reibt damit dann über seine Arme. Dass das gegen Mückenstiche helfen soll lassen wir uns nicht zweimal sagen und wir tun es Patricio gleich und reiben unsere Haut mit den Termiten ein (lecker! :D).
Als wir ein weiteres Mal Halt machen, probiere ich übrigens schon das zweite Mal Ameisen - wer hätte das gedacht!? :D Dieses Mal muss man am Ende eines Blattes einen kleinen Hohlraum im Stiel öffnen und dann mit der Zunge die Ameisen herausfischen :D. Diese schmecken diesmal nach Zitrone und sind außerdem sehr sehr klein, weshalb ich sie nicht mal schlecht finde :D.
Außerdem flechten wir aus dem gleichen Material und mit der gleichen Technik, mit der die Panamahüte hergestellt werden, eine Krone. Des Weiteren holt Patricio aus einem Fluss einen Stein, der mit Mineralschlamm bedeckt ist und reibt uns diesen Schlamm ins Gesicht. Die Wanderung ist geprägt durch das Grün der Pflanzen die man hier weit und breit sieht, durch die hohe Luftfeuchtigkeit und durch das Rauschen des Baches, an dessen Ufer wir zeitweise entlang wandern. Ich bin außerdem mehr als einmal froh darüber, dass uns Patricio Gummistiefel zur Verfügung gestellt hat, denn ständig gibt es kleine Wasserrinnsale auf dem Boden.
Da sich so langsam die Sonnencreme, das Mückenschutzmittel und die toten Termiten auf meiner Haut mit Schweiß vermischen, bin ich ganz schön froh, als wir endlich an der Cascada Hola Vida ankommen. Nach einer Dusche unter dem 35 Meter hohen Wasserfall, wobei wir uns auch den Mineralschlamm aus dem Gesicht entfernen, fühle ich mich schon viel wohler.
Nach der Wanderung gibt es "almuerzo" (= Mittagessen). Wir essen erst die obligatorische Suppe und als Hauptgericht dann maito de tilapia. Das ist Fisch (bei tilapia speziell handelt es sich um einen Speisefisch aus der Gattung der Buntbarsche) mit Reis, Yucca und Tomaten-Zwiebel-Salat. Zum Nachtisch gibt es Orangen und dann lädt uns der Familienvater der kleinen ecuadorianischen Familie noch auf chocobananas ein. Das sind halb gefrorene Bananen, die mit Schokolade überzogen werden.
Gestärkt geht es weiter zur Comunidad Cotococha. Das ist eine Indigenengemeinde der Kichwa, die aus 80 Leuten besteht. Der "Chef" ist immer der Älteste, den wir sogar kurz kennen lernen können.
Zuerst gehen wir in eine Holzhütte, deren Dach aus Stroh besteht. Dort kann man verschiedene Handwerksgegenstände (wie Schmuck oder Waffen) kaufen. Des Weiteren malt uns eine Frau mit roter Farbe einer Pflanze verschiedene Muster ins Gesicht. Meine Bemalung nennt sich "mujer del sol" (= Frau der Sonne).
Außerdem probieren wir dort Chicha de Yuca, ein traditionelles Nationalgetränk. Dazu wird Yucca gekocht und dann zerstampft (in manchen Regionen wird es noch von den Frauen einer Gemeinde gekaut um es zu zerkleinern), dann wird es mit Wasser aufgekocht und schließlich wird Süßkartoffel hinzugefügt. Meistens dauert dieser Prozess mehrere Tage, bis die chicha den typischen Geschmack annimmt. Die chicha, die wir probieren wurde innerhalb von 4 Tagen hergestellt, weshalb der Geschmack sehr stark ist. Leider muss ich zugeben, dass die milchig weiße Flüssigkeit nicht ganz mein Fall ist :D.
Wir erfahren außerdem noch ein bisschen mehr über die Gemeinde, üben das Schießen mit curare Pfeilen und probieren die Festkleidung der Kichwa an.
Am Schluss unseres Besuches gehen wir noch das "Haustier", eine Boa constrictor, besuchen, die wir uns auch um den Hals legen lassen.
Der nächste Punkt heißt Kanufahren. Da es aber leider so stark anfängt zu regnen, müssen wir uns erst eine Weile unter eine Brücke stellen, bis der Regen ca. 15 Minuten später nachlässt. Während wir warten, kommt noch eine andere Touristengruppe an. Auf einem Jeep sind 2 Kanus aufgeladen, in denen und unter denen die Leute sitzen :D. Trotz strömendem Regen scheinen sie es nicht eilig zu haben, auszusteigen und einer von ihnen scheint den Regen sogar so zu genießen, dass er im Kanu auf dem Jeep anfängt zu tanzen und zu singen. Bei diesem Anblick muss man einfach mitlachen und das Warten macht jetzt sogar Spaß.
Als es dann etwas aufgehört hat zu regnen, setzen wir uns in das Kanu. Da die Gewichtsverteilung der Kanus nicht ganz so klug ist, (in unserem Kanu sitzen 5 Erwachsene und in dem Anderen 3 Erwachsene + 1 Kind) streifen wir mehr als nur einmal den Boden und einmal stranden wir beinahe :D. Das Kanu dient übrigens lediglich der schnelleren Fortbewegung, nicht aber dem Schutz vor dem Wasser. Am Schluss bin ich trotzdem nass bis auf die Haut. Das liegt erstens daran, dass es immer noch regnet, als wir losfahren und zweitens daran, dass unser "Steuermann", der uns über den Río Puyo schippert, wohl sehr viel Spaß daran hat, uns durch jede Stromschnelle zu jagen :D.
Nach dieser wunderschönen Fahrt im Einbaum über den Fluss, bei der wir sehr viele Vögel sehen und ich immer noch beeindruckt von der Schönheit dieser Natur hier bin, essen wir Kekse und machen uns dann auf zu meinem persönlichen Highlight des Ausflugs.
Wir halten auf einem Parkplatz, von dem aus wir erst in ein paar Höhlen gehen. Patricio meint, dass er mit denen, die Angst vor Fledermäusen haben, jetzt eine Therapie macht und tatsächlich fliegen uns, als wir die Höhlen betreten, ein paar von ihnen entgegen. Wovor ich mich aber mehr erschrecke als vor den Fledermäusen, ist vor dem Hund der aus der Dunkelheit der Höhle geschossen kommt :D.
Nach diesem kurzen Schreck geht es weitere 15 Minuten bergauf bis wir zu einem der schönsten Orte gelangen, die ich bisher gesehen habe. Unter einem Dach hängen mehrere Hängematten und wenn man sich in eine hineinlegt hat man einen unglaublichen Blick auf den Río Pastaza. Bei so einem Anblick und in diesem Land weiß ich gar nicht, wie man hier überhaupt traurig sein kann.
Nachdem wir diesen Anblick ein wenig genossen haben, fragt mich Patricio, der neben mir in einer Hängematte schaukelt auf einmal ¿te gusta la aventura? (= gefällt dir das Abenteuer?) und ich antworte mit ja. Kurz darauf befinde ich mich auf einem Baumstumpf an ein 35 Meter langes Seil, das von einem Baum hängt, gekettet und Patricio gibt mir Sicherheitsanweisungen. Wenige Sekunden und ein Adrenalinrausch später schaukel ich an dem Seil einige hundert Meter über dem Boden direkt über dem Regenwald Pastazas.
Mit zittrigen Beinen aber überglücklich stehe ich später wieder am Fuße des Berges und es geht zurück nach Puyo. An dieses Gefühl, über dem Regenwald zu schaukeln werde ich mich hoffentlich noch ganz lange erinnern!
Dazu fällt mir übrigens noch eine Zeile aus einem Lied ein, das wir hier öfters hören: "una aventura es más divertida si huele a peligro" (sinngemäß übersetzt: ein Abenteuer macht mehr Spaß, wenn es nach Gefahr riecht)... passt irgendwie :D.
Zuhause finden wir eine Nachricht von Ruth, die besagt, dass sie mit Miriam und Esperanza nach Misahuallí gefahren ist. Somit haben wir die nächsten zwei Tage noch ganz für uns.
Da ich heute echt lange gebraucht habe, diesen Post zu verfassen (es ist echt nicht leicht, alle Eindrücke möglichst genau sprachlich wiederzugeben) bin ich jetzt ganz schön müde und werde bald ins Bett gehen.
Muchísimos saludos desde Ecuador y un buen fin de semana
Clara
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