Am heutigen Sonntag statten Rahel und ich endlich dem "Parque etnobotánico Omaere" einen Besuch ab. "Omaere" bedeutet in der Sprache der Waorani "Natur des Dschungels". Der Park wurde 1993 von einer Shuar - Frau und zwei Franzosen gegründet.
Uns empfängt ein älterer Mann mit einem grauen, langen Bart, der spitz zuläuft. Chris ist ursprünglich aus Kalifornien, wohnt aber seit 25 Jahren in Ecuador.
Bevor wir mit Informationen bombardiert werden, zeigt uns Chris die Toilette. Das Besondere: sie funktioniert ohne Wasser.
Das Häuschen erinnert mich ein wenig an ein Plumpsklo. Tatsächlich ist es so, dass Kot und Urin getrennt werden. Der Urin fließt direkt zurück in die Natur während der Kot in einer Plastiktüte gesammelt wird. Nachdem man sein Geschäft erledigt hat, kippt man ein bisschen Erde darüber. So entsteht in der Plastiktüte einer geruchlose Mischung aus Erde, Toilettenpapier und Kot. Ist die Tüte voll, wird sie verknotet und erhält einen Datumsstempel. Nach ein paar Jahren ist der Inhalt trocken und wird als neue "Erde" wieder neben der Toilette bereit gestellt. Als ich einen Becher dieser "Erde" in die Hand bekomme, hätte ich ohne vorherige Erklärung tatsächlich nicht erkennen können, dass dies keine "reine" Erde ist.
Die Alternative zu dem Plumpsklo, auf dem man sein Geschäft im Sitzen verrichtet, ist direkt daneben. In einem anderen Raum gibt es keinen Toilettensitz sondern nur ein Loch im Boden. Man hockt sich also darüber um sein Geschäft zu verrichten. Chris meint, das sei viel gesünder und natürlicher.
An sich finde ich die Recycling - Toilette eine gute Sache, auch wenn sie mir noch ein bisschen suspekt erscheint :D.
Bevor uns Chris etwas über die Kultur der Waorani erzählt, führt er noch ein bisschen Smalltalk mit uns. Dabei erfahren wir viele interessante Dinge aber vor allem eine Sache bleibt mir im Kopf: während wir in Deutschland auf einem Hektar Primärwald etwa 20 verschiedene Baumarten finden würden, finden wir im Yasuní - Nationalpark 400 verschiedene Baumarten (!!!) erzählt Chris. Das steigert natürlich ungemein meine Lust, das Gebiet mit der größten Biodiversität der Welt kennen zu lernen :)!
Vor unserem Rundgang durch den Park erklärt Chris uns etwas zur Kultur der Waorani. In Stichpunkten werdet ihr nun erfahren, was bei mir hängen geblieben ist:
- Die Waorani jagen mit Curaregiftpfeilen. Das ist ein Gift, das die Muskeln zum Entspannen bringt, woraus Herzstillstand folgt. So "fallen die Affen einfach vom Baum" :D.
- Bei der Jagd oder im Krieg tragen die Männer bis zu 15 der 2 Meter langen Lanzen auf der Schulter. Mit den Lanzen können sie von hinten wie auch von vorne zustechen. Die Lanzen bleiben im Opfer stecken, da sie mit "schlechter Energie" geladen sind.
- Sie tragen keine Kleidung. Lediglich ein paar Schnüre um die Hüfte dienen den Waoranis als "Kleidung".
- Ein Mann kann mehrere Frauen haben, im Normalfall hat er aber nur eine.
- Die Häuser der Waorani sind sehr dunkel, da das Dach aus Blättern besteht, die bis zum Boden reichen. So sehen die Feinde nicht, wo die Männer schlafen und können außerdem nicht lautlos eintreten.
- Aufgrund des Blätterdachs muss immer ein Feuer brennen. Der Rauch trocknet die Blätter und hält außerdem Moskitos fern.
- Die Waorani schlafen in Hängematten. In einer Hängematte schläft jeweils eine Familie!
- In einem Wohnhaus schlafen mehrere Familien. Das besondere dabei ist, dass alle Frauen meistens Schwestern sind.
- An einem Platz bleiben die Waorani meist nur 8-10 Jahre. Danach ziehen sie weiter und bauen alles komplett neu auf. Der "alte" Platz wird in dieser Zeit neu aufgeforstet und bepflanzt. So ist alles schon vorbereitet, wenn sie in 8-10 Jahren wieder zurück kommen.
- Bis heute gibt ein eine unkontaktierte Gruppe Waorani im Yasuní - Nationalpark.
- Teil des Krieges ist es, die Frauen von anderen Clans zu "stehlen".
- 1970 gelang es der Amerikanerin Rachel Saint erstmals Kontakt zu den Waorani aufzunehmen.
(Wer mehr wissen will: es gibt einen Film über das Leben Rachel Saints "Rachel Saint - This is your life") - In Puyo haben die Waorani einen Laden, in dem unter anderem sehr leckere Schokolade verkauft wird :).
Nach dieser Lehrstunde führt uns unser Guide, Luis, durch den Wald, der zum Park gehört. Wir lernen verschiedene Heilpflanzen, Pflanzen die zur Nahrung dienen und viele anderen Pflanzen mit bestimmten Funktionen kennen. Es gibt sogar eine Pflanze, die als natürliche Anti-Baby-Pille dient!
(Hier nur eine kleine Auswahl)
diese Pflanze hilft Babies beim Einschlafen |
Zimt |
Palma caminante - sie bewegt sich dank ihrer Wurzeln fort |
Heliconia |
das, was aussieht, wie ein Seil ist Vanille |
Blätter, die zur Herstellung eines Dachs dienen |
Ich freue mich, als ich merke, dass inzwischen auch ich einige der Pflanzen wiedererkenne.
Am Ende der Führung machen wir in einem Wohnhaus der Shuar Halt.
Dort erfahren wir von Luis mehr über deren Kultur:
- Die Aufgaben zwischen Mann und Frau sind sehr traditionell verteilt: die Frau ist für die Erziehung der Kinder, die Agrikultur und die Essenszubereitung zuständig während sich der Mann um die Nahrungsbeschaffung und den Kampf gegen Feinde kümmert.
- Heutzutage zieht es vor allem viele junge Shuar aufgrund der Technologie und der Möglichkeit des Studiums in die Stadt. Dadurch entstehen finanzielle Probleme, da die Shuar in ihrer traditionellen Arbeit kein Geld verdienen. Für viele Shuar ist der Tourismus somit eine Lösung der finanziellen Probleme.
- Nach dem Sieg über einen anderen Clan, wird aus dem Kopf des Anführers dieses Clans ein Schrumpfkopf als Trophäe gemacht.
- Ein Mann hat mehrere Frauen. Da die Shuar in ihrem Clan unter sich bleiben, kommt es nicht selten zu inzestuösen Beziehungen.
- Ein Wohnhaus ist unterteilt in zwei Räume: in dem einen werden die Besucher empfangen, im anderen wohnen die Frauen mit den Kindern.
- Die erste Frau des Anführers ist die Organisatorin, sie entscheidet darüber, wer in den Raum der Frauen eintreten darf. Das gilt auch für den Anführer.
- Es gibt einen bestimmten Prozess, den ein Besucher durchlaufen muss:
200 Meter vor dem Haus muss gerufen werden. Erhält man eine Antwort, die als "komm!" gedeutet werden kann, nähert man sich langsam. Bevor man vor der Türe steht, ruft man erneut. Dann kommt der Anführer und begrüßt einen mit Schreien. Außerdem sticht er mit einer Lanze links und rechts an einem vorbei. Dann darf man sich setzen und eine der Frauen des Anführers serviert chicha. Allerdings ohne den Gast anzuschauen. - Da auch hier das Dach aus Blättern besteht, muss ständig ein Feuer brennen.
- Jede Frau hat eine eigene Stelle, an der sie (alleine) die Kinder zur Welt bringt. Diese Stelle ist mit Blättern ausgelegt. Außerdem ist eine Konstruktion aus Stöcken aufgebaut, an der sich die Frau festhält - die Kinder gebärt sie nämlich in der Hocke.
- Die Wände in einem Haus sind aus Holzpfeilern. Diese Pfeiler haben immer 2 cm Abstand. So entsteht eine gute natürliche Lüftung. Außerdem sieht man von außen schlecht hinein, von innen dafür gut heraus.
Abends kommt Miriam von der Reise mit ihrem Bruder zurück. Nach 2 Wochen ist unsere Kleinfamilie jetzt endlich wieder komplett! :)
Bis morgen, eure
Clara
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