El Río Pastaza

El Río Pastaza
Become friends with people who aren't your age. Hangout with people whose first language isn't the same as yours. Get to know someone who doesn't come from your social class. This is how you can see the world. This is how you grow. - Unknown

Dienstag, 1. März 2016

6. Monat - Rückblick & Zusammenfassung

UNFASSBAR! Ab jetzt wird rückwärts gezählt: mehr als die Hälfte meiner Zeit in Ecuador ist jetzt vorbei.
Ich fühle mich inzwischen so zuhause, dass mein Alltag hier zur Normalität geworden ist. Ein Leben ohne Ruth, ohne Samuel und ohne Rahel (um mal nur ein paar der wichtigen Personen zu nennen), ohne das Instituto, ohne das ecuadorianische Essen und ohne all die besonderen Erfahrungen, die ich jeden Tag mache, ist für mich gerade unvorstellbar.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blicke ich nun dem nächsten halben Jahr entgegen.
Zuvor möchte ich aber auch auf dieses halbe Jahr zurück blicken.
Wie immer möchte ich ins Gedächtnis rufen, dass dies meine subjektiven Eindrücke sind, die durch meine Erziehung und meine Bildung geprägt wurden. Es soll (und darf) somit nichts pauschalisiert und generalisiert werden! Außerdem treffen viele der Dinge nur auf meinen aktuellen Wohnort Puyo zu.

Ecuador ist, wenn...
  • man zu einem Gericht sechs Soßen serviert bekommt aber weder Salz noch Pfeffer
  • du nicht das Essen suchst, sondern das Essen dich sucht
  • sich auf einmal jeder teure Markenkleidung (natürlich "original") leisten kann und Leggings von jedem als ganz normale Hosen genutzt werden
  • sich auf einer längeren Busreise mindestens ein Mal das Landschaftsbild bzw. die Vegetation radikal verändert
  • man anstatt Taschentücher in der Handtasche mit Toilettenpapier in der Hosentasche herumläuft
  • jeder einen mit herzlich offenen Armen empfängt (zumindest ist mir bisher nichts gegenteiliges passiert)
  • man die Kinder beim Englischunterricht fragt, was es in der Schule so alles gibt und die erste Antwort "die Flagge" ist
  • es an jeder Ecke einen "Minimarket" gibt
  • man an einem Ort übernachten will, wo die Familie von Bekannten wohnt und dir gleich zwei Häuser angeboten werden
  • am Straßenrand mindestens ein Grill auf dem maduros, Maiskolben oder Fleisch liegen, vor sich hin raucht
  • man sehr tolerant gegenüber der Lautstärke wird, in der die Nachbarn Musik hören
  • man zum Frühstück im Nebenhaus (ca. 10 Schritte) mit dem Regenschirm läuft, da es mal wieder so stark regnet
  • jeder, mit dem du dich auch nur ein Mal unterhalten hast, gleich dein "amigo" (= Freund) ist
  • man manchmal mehrere Tage warten muss, bis die Wäsche trocken ist (ein Hoch auf die Luftfeuchtigkeit in Puyo)
  • es einem nach ein paar Monaten richtig leicht fällt, für eine Kurzreise zu packen
  • man sich abends mit einem Stein bewaffnet bevor man den Heimweg antritt um aggressive Hunde in die Flucht zu schlagen
  • Spontanität und Flexibilität eine viel größere Rolle spielen
  • man inzwischen seine Passnummer auswendig gelernt hat, da sie überall angegeben werden muss
  • ab 19 Uhr das öffentliche Nahverkehrssystem lahm liegt (Ausnahme: Großstädte wie Quito, Guayaquil,..)
  • man die Zeit ab 18 Uhr schon als "noche" (= Nacht) bezeichnet, da es einfach dunkel ist
  • man mehr als je zuvor zu schätzen lernt, was man in Deutschland alles hat (Familie, Freunde, guten Käse,...)
  • die "hora ecuatoriana" so manchen Europäer auf der Straße stehen lässt
  • man die Tiere in seinem Zimmer toleriert, solange sie einem nicht das Bett streitig machen
  • fast jeder Ort, den man besucht ein anderes Landschaftsbild und ein anderes Ökosystem aufweist
  • Reis täglich und zu jeder Tageszeit gegessen werden kann (eine Mahlzeit zählt nicht als Mahlzeit, wenn kein Reis dabei ist)
  • man aus Höflichkeit immer eine Auskunft bekommt, egal, ob sie stimmt oder nicht
  • man an der "costa" plötzlich überlegt, ob in Ecuador spanisch gesprochen wird (die costeños lassen nämlich beim Sprechen das "s" weg - so wird aus einem "¿cómo estás?" einfach ein "¿cómo etá?")
  • man dem Busfahrer in Puyo drei Mal sagt, dass man nicht nach Shell möchte und er trotzdem noch einmal nachfragt
  • in der Pfütze vor der Haustüre Kaulquappen wohnen weil es so oft regnet
  • jeden Abend das Zimmer ausgeräuchert werden muss, da wieder zehn neue Mücken durch die Gegend schwirren
  • man ganz erstaunt ist, wenn ein Lied mal nicht von der Liebe handelt
  • es immer wieder Orte mit gleichen Namen gibt und Touristen dann mit dem Surfbrett im Andenhochland stehen 
  • man alle zwei Meter ein Foto machen könnte, dann aber immer enttäuscht ist, weil das Foto nicht einen Bruchteil der Schönheit des Landes einfängt
  • man denkt, dass sobald ein Feiertag vorbei ist, Ruhe einkehrt, der nächste Feiertag aber schon vor der Tür steht
  • nach dem Regen in Puyo der Weg nach Hause durch Pfützen zum Slalomlauf wird
  • man während der Karnevalszeit die Wertsachen in Plastiktüten steckt um sie vor möglichen Schaum- und Wasserattacken zu schützen
  • morgens um 5 Uhr der Beifahrer im Bus Raumerfrischer durch den Gang sprüht
  • man nach 5 Monaten endlich die perfekte Bus-Schlaf-Position gefunden hat
  • in der Apotheke mehr Schokolade, Windeln und Shampoos verkauft werden, als Medikamente
  • die ersten 6 Autos an der Ampel Taxis sind
  • man, sobald man einen Laden betritt von mindestens einem Verkäufer auf bis zu einem halben Meter Abstand verfolgt wird
  • Kinder im Auto nicht als Passagiere zählen, da man sie einfach auf den Schoß nimmt
  • man bei einer Straße mit Spur und Gegenspur auch auf der linken Seite parken kann
  • man öfters "Deutsch" mit Nachnamen heißt, da nicht verstanden wird, dass "Deutsch" im Reisepass die Nationalität angibt
  • man ganz erstaunt ist, wenn beim Zebrastreifen mal einer anhält (... und dann merkt, dass es nur die Fahrschule ist)
  • es nicht mehr komisch ist, dass man im "comedor" (= Mittagessenslokal) nur gefragt wird, welche Fleischsorte man möchte, weil man weiß, dass Suppe, Reis + wahlweise Bohnen, Linsen oder Salat und Saft obligatorischer Bestandteil des Mittagessens sind
  • jedes Kind das Lied singen kann, das die Müllabfuhr in Dauerschleife abspielt während sie durch die Straßen fegt
  • einem eine 5-Stunden-Busfahrt plötzlich "kurz" erscheint
  • man mehrmals am Tag den Satz liest, der inzwischen zum Lebensmotto geworden ist: "ama la vida" (= liebe das Leben)(Anmerkung: der Satz "ama la vida" ist vergleichbar mit dem Untertitel eines Buches oder dem Beinamen einer Person; so heißt es immer "Ecuador - ama la vida")
  • auf den Bussen "no vendedores ni payasos" (= weder Verkäufer noch Clowns) steht und trotzdem jede Reisebusfahrt mit einer Leidensgeschichte beginnt, worauf Geld sammeln folgt
  • physische als auch psychische Grenzen getestet werden


Ich glaube, ich könnte diese Liste noch um viele Punkte erweitern, lasse das jetzt aber mal so stehen ;).
¡Ama la vida!
Clara

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