Karfreitagsprozession und Fanesca.
Um 8.30 Uhr wecken Rahel und ich Fercho, denn wie wir gestern beschlossen haben, sollen wir uns unsere Bikinis nicht umsonst gekauft haben. Das Hochhaus, in dem Ferchos Wohnung liegt, besitzt ein eigenes Schwimmbad und da wir heute Glück mit dem Wetter haben, beginnen wir den Morgen bei strahlendem Sonnenschein im Pool über den Dächern Quitos.
Nachdem Rahel und ich schweren Herzens unsere Rucksäcke gepackt haben, beschließen wir frühstücken zu gehen. Statt mit dem kleinen grauen Auto, mit dem uns Fercho vom Terminal abgeholt hat, sausen wir heute mit einem überdimensionalen weißen Pick-up durch die Straßen. Statt einem Rückspiegel besitzt das Auto, in dem ich mich fühle als würde man mit einem Wohnzimmer auf Rädern über den Asphalt fegen, eine Art "Mini-Tablet". In einer hübschen französischen Bäckerei und Konditorei lädt uns Fercho zum Frühstück ein.
Nach einem unglaublich lustigen Frühstück geht es in Quitos Altstadt.
Am heutigen Karfreitag findet dort der Höhepunkt der "Semana Santa" (= Karwoche) statt: die Prozession "Jesús del Gran Poder". Schon von weitem erkennt man die sogenannten "cucuruchos": lange Kapuzen, die an Schultüten erinnern und lediglich zwei Schlitze für die Augen offen lassen.
Fast alle Teilnehmer der Prozession tragen außer dem violetten Gewand die cucuruchos auf den Köpfen. Viele Gesichter sind schmerzverzerrt. Manche Teilnehmer tragen nämlich nicht nur Fußfesseln sondern auch überdimensionale Holzkreuze auf den Schultern. Andere haben sich Kakteen auf den Rücken gebunden oder schlagen sich selbst mit einer Nessel. Mit den Strapazen wollen die Teilnehmer das Leiden Christi nachempfinden.
Irgendwann habe ich genug gesehen und wir verlassen die Prozession.
Bevor es zu dem Haus von Ferchos Tante geht, sammeln wir noch eine weitere Couchsurferin ein und kaufen Eis in einer Apotheke (:D).
In Ecuador wird am Karfreitag traditionell Fanesca gegessen, eine Suppe, die aus verschiedenen Hülsenfrüchten, Kürbisfleisch, Reis, Lauch, Erdnüssen und Melloco besteht. Dazu werden Bacalao (ein Fisch), gebratene maduros, frittierte Teigtaschen, gekochte Eier und Käse serviert.
Die Fanesca ist eine Tradition, die in Familienkreisen gefeiert wird. In dem Haus von Ferchos Tante versammeln sich an einer langen Tafel also 27 Cousins und Cousinen, die dazu gehörigen Eltern und weitere Familienmitglieder. Wir werden sofort akzeptiert und von der Familie liebevoll aufgenommen. Die Fanesca ist sehr lecker, was bestimmt nicht zuletzt an der richtigen Atmosphäre liegt. Außerdem ist sie extrem sättigend!
Auf der Dachterrasse ruhen wir uns mit vollen Mägen noch ein wenig aus und Fercho gibt unsere "Pifo - Geschichte" von gestern zum Besten.
Leider müssen wir uns dann schon verabschieden, aber schon jetzt steht fest, dass wir uns nicht das letzte Mal gesehen haben! :)
Weiter geht es nach Otavalo. Auf der Fahrt läuft wie eigentlich immer ein Actionfilm. Gerade, als der Held alle gerettet hat, kommen wir in Otavalo an.
Auch hier werden wir bei einem Couchsurfer wohnen. Julio empfängt uns und der sympathische junge Mann zeigt uns sein zuhause. Alleine fühlt man sich hier definitiv nicht, denn neben den vielen Familienmitgliedern beherbergt er außer uns noch 3 andere Couchsurfer und einen kleinen, sehr aktiven Hund.
Julio ist sehr unkompliziert und hilft, wo er kann.
Während Rahel und ich später unsere Mägen füllen, beobachten wir, wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Jesus seine Position einnimmt. Auch hier in Otavalo findet eine Karfreitagsprozession statt. Sie führt an verschiedenen Stationen vorbei, die mit Hilfe kostümierter Menschen den Weg zur Kreuzigung Christis veranschaulichen.
Sobald der Weg nach "Hause" nicht mehr durch zahlreiche Gläubige versperrt ist, kehren wir in unser kleines Zimmerchen zurück. Ich stelle fest, dass mein Handyladekabel durch das halbe Zimmer reicht, was mich zum Schmunzeln bringt.
Da wir morgen früh auf den Markt wollen, gehen wir schon früh schlafen, was uns nach dem Ende der Prozession auch gelingt.
Hasta luego,
Clara
Clara
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