Das Instituto beginnt heute nicht, wie gewohnt, mit dem Frühstück, sondern mit einem Gottesdienst. Soweit ich das verstanden habe, ist dieser anlässlich des morgigen Todestages des früheren Rektors. Während ich damit beschäftigt bin, den Kindern alle paar Sekunden zu sagen, dass sie leise sein sollen, erzählt der Pastor den versammelten Gruppen des Institutos von der Ewigkeit, indem er meint, dass unsere Taten hier und jetzt unser Leben nach dem Tod beeinflussen. Außerdem zitiert er mehrere Stellen aus der Bibel, spricht mit den Anwesenden ein Gebet und bittet Gott um ein "milagro" (= Wunder) für die Kinder unseres Institutos. Die allgemeine Unruhe im Saal (produziert durch Stuhlgeklapper und Kinderschreie) legt sich etwas, als Lucía (die Vizerektorin) ein Lied abspielen lässt, in das fast alle mit einstimmen. Der Text wird an eine Leinwand produziert aber mir kommt es so vor, als kenne sowieso jeder dieses Lied. Es ist schön, die vielen verschiedenen Stimmen - Schüler, Lehrer, Eltern - zu hören, die zusammen im Raum erklingen.
Beim Frühstück sitze ich eine Ewigkeit mit Carlos im comedor bis er sein Brötchen gegessen hat. Neuerdings isst er nämlich das Brötchen, jedoch nur das "Weiße", weshalb es ein wenig dauert, bis er alles herausgepult hat.
In der Pause unterhalte ich mich mit Luis und während wir das Wort "pobre" (= arm) versuchen zu definieren und über die Unterschiede von Deutschland und Ecuador sprechen, bin ich froh, dass es keine Ewigkeit mehr dauert bis mir die passenden spanischen Worte einfallen ;). Für Luis ist jemand übrigens "arm", wenn er wenig Wissen hat, der finanzielle Aspekt scheint ihm nicht so wichtig zu sein. Allgemein habe ich das Gefühl, dass hier viel weniger über Geld nachgedacht oder geredet wird. Mir kommt es so vor, als seien die Menschen mit dem zufrieden, was sie haben und auf irgendeine Weise ist schließlich jeder reich. Sei es reich an Lebensfreude oder reich an Geld. Natürlich will ich damit nicht behaupten, dass der finanzielle Aspekt hier unwichtig sei, jedoch hat er hier vielleicht auch einfach nicht so einen hohen Stellenwert wie zum Beispiel in Deutschland.
Um 16.30 Uhr mache ich mich mit Ruth und Miriam auf den Weg zu einem weiteren Fest anlässlich der Feste von Pastaza. Wir nehmen ein Taxi und als der Taxifahrer (der meint, dass wir ihn nicht verstehen) Ruth über uns ausfragt und etwas unangebrachte Sprüche macht, bin ich froh, dass die Taxifahrt keine Ewigkeit dauert.
Das Fest ist mehr eine Ausstellung, bei der verschiedene Produkte und Dienstleistungen Pastazas gezeigt werden. Neben Ständen mit Nahrungsmitteln, Blumen, Tieren und Kunsthandwerk befindet sich dort auch eine Physiotherapeutin, die eine kostenlose Massage anbietet. Solange sie meinen verspannten Rücken (vom vielen Bücken im Instituto) massiert, wünsche ich mir, dass sie ewig weiter macht. Ruth findet heraus, dass sie diese Massagen normalerweise nicht weit vom Zentrum für nur 3 Dollar pro Dreiviertelstunde anbietet und wir beschließen, dort auf jeden Fall mal hinzugehen!
Nachdem wir viel über die einzelnen Stände erfahren und viele Geschenke (darunter "panela" (gekochtes und getrocknetes Zuckerrohr; soll gut für den Energiehaushalt sein, wenn man es mit Wasser mischt und dann trinkt), "papachina" Chips (eine bestimmte Sorte Kartoffelchips), Maracujacreme mit Schokolade und mehrere Prospekte) eingesammelt haben, verlasse ich das Fest und treffe David.
Wir gehen "salchipapas" (eine Mischung der Wörter "salsicha" (= Wurst) und "papas" (= Kartoffeln bzw. hier: Pommes)) essen, hören eine Weile einem Konzert zu und gehen in verschiedene (Tanz-)Bars, in denen beinahe jede Altersgeneration Seite an Seite die Hüften schwingt. Dazwischen fragt er immer wieder nach deutschen Begriffen für verschiedene Dinge aber so, wie sich das bis jetzt anhört, kann es noch eine Ewigkeit dauern bis er diese Begriffe richtig ausspricht. Manchmal wundert es mich doch, wie schwer es Anderen fällt, Wörter, Silben oder Buchstaben auszusprechen, die mir mühelos über die Lippen gehen ;). Zum Beispiel habe ich bisher niemanden hier getroffen, der ein "r" aussprechen konnte, ohne dieses zu "rollen". Das ist der Grund, warum die meisten Leute es hier sehr witzig finden, wenn ich meinen Namen ohne "rollendes r" ausspreche ;).
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, eure
Clara
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