24 Stunden in der Wildnis.
Wie schon mehrmals erwähnt, machen sich Linea, Miriam, Samuel, Maximino (der Werklehrer des Institutos) und ich zusammen mit dem Vater einer Schülerin am Freitagmittag auf, um ein wenig den Wald um Puyo zu erkunden. Wir sehen so oft die dicht bewaldeten Berge, die hinter den Häusern aufragen, dass es uns schon länger in den Fingern juckt, diese zu erkunden.
Am Freitag ist es dann endlich so weit. Schon morgens gehen wir mit Rucksäcken bepackt zur Arbeit. Nach dem Mittagessen kaufen wir (Linea, Miriam und ich) noch ein wenig Reiseproviant und kehren dann ins Instituto zurück, wo wir uns mit Samuel und Maximino treffen. Wir ziehen Gummistiefel an (um deren Erfindung ich während der Wanderung mehr als einmal froh bin) und ich wundere mich ein wenig über das Gewehr, das Maximino bei sich trägt. Nachdem das Essen, das Samuel gekauft hat und die Plastikplanen, die wir später zum Bau unseres Lagers verwenden werden, verstaut sind, klettern wir nach einem ersten "Gruppenfoto" (ein Teil fehlt) auf die Ladefläche eines Pick-ups.
|
(von links nach rechts: Miriam, Samuel, Linea & ich) |
Der Pick-up bringt uns zum Grundstück von Don José (dem Schulvater und unserem "Reiseleiter). Dort werden noch die Moskitonetze an die Rucksäcke geschnallt und dann geht es weiter bergauf.
Nach einem ordentlichen Stück (wir sind schon relativ weit oben) macht der Pick-up Halt und die Sonne, die ich durch den Fahrtwind auf der Ladefläche nicht gespürt habe, brennt mir jetzt auf den Kopf.
Es wird ein zweites Gruppenfoto gemacht (diesmal mit der kompletten Gruppe) und dann geht es los.
|
(von links nach rechts: Samuel, Maximino, Don José, Linea, Miriam & ich) |
Direkt hinter dem Pick-up fängt der Wald an und genau da beginnen wir unser Abenteuer. Anders als bei den anderen Regenwaldwanderungen, die ich hier bisher gemacht habe, gibt es diesmal keinen Weg. Maximino und Don José laufen mit Macheten voraus und schlagen uns einen Weg frei.
Schon nach wenigen Sekunden bin ich begeistert von dem, was ich gerade erleben darf. Leider kann ich nicht ganz so oft aufschauen, denn da wir uns den Weg selbst bahnen kann man immer von einem nassen Stein, Matsch , spitzen Ästen, Wasserrinnsalen oder Pflanzen, die sich um die Beine schlingen, überrascht werden. Trotzdem ist die menschenleere Atmosphäre spürbar.
Der Matsch wird nach wenigen Minuten auch Linea zum Verhängnis, da sie (wie ich kurze Zeit darauf leider auch) stecken bleibt.
Vor lauter Lachen ist es ganz schön schwer, sie wieder heraus zu ziehen :D.
Glücklicherweise sinke ich nicht ganz so tief ein und verliere lediglich einen Stiefel, den Samuel rettet.
Das mit der Sauberkeit mussten wir aber dann schon wenige Minuten nach Beginn unseres Abenteuers aufgeben ;).
Die nächsten zwei Stunden wandern wir (mehr bergauf als bergab) weiter durch den Wald. Nicht selten kommt es vor, dass man vom Vordermann nur noch den Rucksack sieht und ich bin froh, dass sich Samuel zu uns Mädchen gesellt und am Schluss der Gruppe läuft.
Wir laufen durch mannshohes Gras, balancieren auf umgefallenen Baumstämmen, rutschen steile Abhänge hinab, klettern auf der anderen Seite eben diese Abhänge wieder hoch und sind vor allem darauf konzentriert, in kein Loch zu treten, das sich plötzlich unter den ganzen abgetrennten Pflanzen auftut.
Maximino, der sich im Wald wohl auskennt, gibt uns kleine Früchte zum probieren, die ich niemals als Früchte identifiziert hätte. Sie sind klein und grün und man muss sie aufbrechen oder aufbeißen um an den durchsichtigen mit schwarzen Punkten durchzogenen Schleim zu kommen. Obwohl die Konsistenz sehr gewöhnungsbedürftig ist, sind sie sehr lecker.
Zwei Stunden später kommen wir dann schon an unserer Unterkunft an. Sie besteht aus ein paar Balken auf die Wellblech gelegt wurde und sieht bisher noch nicht so vertrauenserweckend aus.
Maximino stellt uns "unser Hotel" vor und integriert gleich einen "Kühlschrank" an den er die grünen Früchtchen hängt.
Während Don José eine Limonade aus Flusswasser (anfangs sind wir etwas skeptisch), auf dem Weg gepflückten Zitronen und Zuckerrohrsirup zubereitet hantieren Samuel und Maximino schon kräftig mit der Machete.
Wenig später führt uns (Miriam, Linea & mich) Don José zu unserem "Bad". Auf dem Weg finden wir eine Schlange, die sich vor unseren Füßen zusammenrollt. Da sie laut Don José giftig ist, wird sie nach ein paar Schlägen mit der Machete aus dem Weg geräumt.
Der Abstieg zu unserem "Bad" ist nicht ganz einfach und ich muss Acht geben, dass ich nicht samt meinen frischen Sachen, die ich auf dem Arm trage, in den Matsch stürze.
Am Fluss angekommen schießt mir als erstes der Gedanke "und dieses Wasser habe ich getrunken" in den Kopf :D. (Anmerkung: bis heute habe ich zum Glück keine Auswirkungen des Flusswassers zu spüren bekommen).
Don José lässt uns alleine und eine nach der anderen versucht sich so weit es geht, sauber zu machen. Mit Wasserflaschen duschen wir uns gegenseitig und auch beim Anziehen müssen wir uns gegenseitig helfen, da man keinen besonders sicheren Stand hat.
Einigermaßen frisch kehren wir auf dem beschwerlichen Weg zum Lager zurück.
Dort angekommen sieht es schon wesentlich stabiler aus. Es wurden einige neue Balken eingebaut und somit hängt das Wellblech nicht mehr nach unten sondern bietet ein Dach.
Da es langsam schon dunkel wird (hier wie erwähnt immer schon gegen 18 Uhr), köchelt der "arroz casado" (= Reis mit Kartoffeln) schon über dem Feuerchen vor sich hin.
Währenddessen wird das Lager weiter aufgebaut. Als Matratzen dienen große Blätter über die eine Plastikplane gelegt wird. Es werden Moskitonetze gespannt und es wird eine Plane zum Schutz vor möglichem Regen aufgehängt.
Als alles fertig ist, bin ich überrascht wie komfortabel alles geworden ist und nachts bin ich fast ein wenig enttäuscht als es nicht regnet, da wir so gut vorbereitet waren :D.
Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit ist dann auch das Essen fertig und jedem wird ein großer Teller arroz casado mit Thunfisch überreicht.
Nach dem Essen errichtet Don José noch unsere Toilette und nachdem wir Zähne geputzt haben und ich mich tatsächlich fast frisch fühle, klettern wir in den Schlafsack gekuschelt unter die Moskitonetze. Da unsere Außen- und Innenbeleuchtung nur aus dem schwachen Licht der Taschenlampen besteht, dauert es nicht lange bis ich eingeschlafen bin.
Nachts wache ich öfters auf, da der Schlafsack auf der Plane echt rutschig ist und ich mich mehrmals am Fußende wiederfinde. Erstaunlicherweise kann ich trotz der Kälte, dem harten, abschüssigen Untergrund und den ungewohnten Geräuschen aber sehr gut schlafen.
Um 7 Uhr am nächsten Tag stehen wir auf und während ich noch mit der Müdigkeit kämpfe sind Maximino, Samuel und Don José schon am Abbauen des Lagers.
Nach dem Frühstück, das aus frischem Wayusa-Tee, Brot und einer Banane besteht, geht es dann weiter.
Anders als gestern laufen wir heute bergab, was aber nicht weniger anstrengend ist. Teilweise muss ich stehenbleiben um zu überlegen, wohin ich meinen Fuß als nächstes setze.
Der Weg kommt mir heute nochmal extremer vor und nicht selten müssen wir uns gegenseitig helfen voran zu kommen.
Ich bin nach wie vor begeistert von dem, was ich gerade erleben darf und bin beeindruckt von der Natur, die mich umgibt (lediglich auf die Stechmücken könnte ich verzichten).
An einem riesigen Baum machen wir Halt und Don José erklärt uns, dass er ab jetzt den Weg nicht mehr kenne.
Wie wir nach wenigen Gehminuten feststellen, stehen wir direkt vor dem steilen Abgrund einer Schlucht.
Nach einigem Überlegen werden zuerst die Rucksäcke abgeseilt bevor wir uns auf den Weg nach unten begeben. Zuerst geht es einen steilen und rutschigen Weg nach unten. Dann hangeln wir uns mit Hilfe eines Seils um einen Baum herum, wobei Samuel und Mädchen fast "rüberhebt" :D.
Der Höhepunkt ist dann das Abseilen an einer Liane. Obwohl es nur etwa 5 Meter sind, die wir an der Liane herunter rutschen, kommt es mir anfangs viel höher vor.
Unten angekommen schnallen wir die Rucksäcke wieder auf und weiter geht es.
Da ich meinen Wanderstock bei der Liane zurück lassen musste, gehe ich jetzt umso langsamer und vorsichtiger. So kommt es, dass wir von Maximino und Don José abgehängt werden und nur ihrem Pfeifen folgen.
Nach weiteren zwei Stunden über Stock und Stein kommen wir am Rande des Waldes an.
Von da aus geht es erstmal wieder durch mannshohes Gras bis wir auf einer Kuhweide stehen.
Dort legen wir eine kleine Pause ein. Links sehen wir Puyo und rechts blicken wir auf die Bergspitze, von der wir gerade kommen - sehr beeindruckend.
Nach der Pause geht es weiter über die Kuhwiese.
Da unser Weg im Prinzip nur aus Matsch besteht und Linea und ich keine Lust haben, erneut stecken zu bleiben verlieren wir wieder den Anschluss an die Gruppe.
Da es aber nur einen "Weg" gibt kommen wir etwas verspätet dann auch an der Stelle an, wo wir das Mittagessen kochen.
Es handelt sich um einen Fluss, worüber ich sehr froh bin, denn eine Abkühlung kann ich tatsächlich gebrauchen.
Nach dem Mittagessen (wie gestern, arroz casado mit Thunfisch, dazu Zitronenlimonade) geht es dann an die letze Etappe.
Da wir jetzt nicht mehr im Schutz der Bäume des Waldes laufen, spüre ich die Sonne ganz schön stark. Die Landschaft außerhalb des Waldes ist nicht weniger beeindruckend und da ich es mir diesmal erlauben kann, öfters nach oben zu schauen (es gibt nicht mehr ganz so viele Stolperfallen) kann ich es auch richtig genießen. Mir werden zwei weitere mir unbekannte Früchte angeboten von denen die eine sehr sauer ist und die andere ein wenig nach Seife schmeckt :D.
Weitere 1,5 Stunden später überqueren wir erneut einen Fluss und stehen dann vor einer Schotterstraße.
Während Don José auf der Suche nach Handynetz ist (um den Pick-up zu holen), fängt Maximino mit den bloßen Händen zwei Fischchen im Fluss und wir kühlen uns erneut ab.
Es fängt kurz an zu regnen (übrigens das einzige Mal während der ganzen Zeit) und wir bedecken das Gepäck mit einer Plastikplane.
Dann ist endlich der Pick-up da und alles wird aufgeladen.
Knappe 20 Minuten später sind wir dann auch schon wieder in Puyo.
Zuhause führt mein erster Weg zur Waschmaschine und von da aus direkt zur Dusche :D.
Sobald alles wieder frisch ist habe ich Zeit, das Abenteuer nochmal revue passieren zu lassen.
Die Kratzer und Schnitte an den Armen, die Mückenstiche an den Beinen, die Löcher in der Hose und die Blase an der Hand stören mich so gut wie gar nicht.
Ich bin unglaublich froh und dankbar, diese Erfahrung machen zu dürfen. Wettertechnisch hatten wir außerordentliches Glück und glücklicherweise musste Maximino auch das Gewehr nicht gebrauchen.
Für mich steht fest, dass dies definitiv nicht meine letzte Dschungeltour war und mit einem breiten Grinsen im Gesicht kann ich auf unser Abenteuer zurück blicken.
Ich hoffe, ich konnte euch durch diesen Post einen kleinen Einblick in das geben, was ich in den letzten zwei Tagen erlebt habe.
Ganz liebe Grüße und einen schönen Sonntag wünscht euch eure
Clara