Immer mehr sind Rahel und ich inzwischen in den ecuadorianischen Alltag eingetaucht.
Neben der Kultur bekommen wir auch immer wieder die politische und wirtschaftliche Lage des Landes zu spüren.
Zu diesen Themen fand im Juni ein politischer Tag im Rahmen des "weltwärts" - Programms statt.
Der folgende Bericht gibt einen kleinen Einblick in die dort angesprochenen Themen.
Día político oder eher
económico:
"1995 führten wir
einen eher sinnlosen Krieg mit Peru, aber wir hatten etwas gewonnen –
einen Quadratkilometer!" – ironischer Beifall im Raum. Vicente
Albornoz, Dekan der Fakultät der Wirtschaftswissenschaften der
Universidad de la Americas, zeigte gerade auf, wie die
einzelnen Hochs und Tiefs der ecuadorianischen Wirtschaft im Zeitraum
von 1965 - 2015 zu erklären sind. Dabei wurde aber nicht nur der
sinnlose Krieg gegen Peru erwähnt, sondern viel mehr die zahlreichen
Regierungswechsel und Wirtschaftskrisen, die das Land in der jüngeren
Geschichte meistern musste. Wir Freiwilligen aus Deutschland waren
begeistert, als Alexander Sitter, Organisator der Veranstaltung im
Auftrag des "RED weltwärts" in Ecuador, zum Dia Politico
in die UDLA nach Quito eingeladen hatte. Der Professor überzeugte
mit Sachverstand und dazu mit großer Geduld (da er in jedem zweiten
Satz unterbrochen wurde), um unsere zahlreichen Fragen zu
beantworten. Zudem wurde der Luxus eines deutschsprachigen Vortrags
genossen, da Albornoz einige Jahre seiner Studienzeit in Deutschland
verbracht hatte.
Bis in die 60-er Jahre
war Ecuador ein landwirtschaftsabhängiges Land und lebte mit einem
Durchschnittseinkommen von 2.000$ von dem Export von Bananen, Kakao
und Kaffee. Als 1973 zum ersten Mal Öl im Land entdeckt wurde, stieg
das Einkommen pro Kopf um 50% an. Mit dem zusätzlichen Anstieg des
Ölpreises "schwamm" Ecuador auf einmal im Geld. Doch leider
wusste die Regierung des Landes nicht mit seinem neuen Vermögen
umzugehen. Es wurde viel ausgegeben und wenig investiert, bis große
Schuldenberge entstanden. Anfang der 80-er Jahre kam schließlich der
große Kater: Erdölpreise sanken, Kredite wurden gestrichen (da eine
Wirtschaftskrise den ganzen Kontinent heimgesucht hatte), schlimme
Überschwemmungen aufgrund eines besonders schweren El Niño und
Krieg mit Perú. Bis
in die 90-er Jahre erlebte Ecuador keinerlei Wirtschaftswachstum mehr
und die Schere zwischen Arm und Reich wurde immer größer. Aus dem
sogenannten Zeitraum "der verlorenen Jahrzehnte" wurde das Land
erst durch den aufblühenden Export von Blumen und Schrimps geholt.
Das jedoch nur für kurze Zeit, da mit dem fünften Krieg gegen Perú
1995 die Reste der Staatskasse bis auf den letzten Sucre
aufgebraucht wurden. Stromausfälle, eine erneute Naturkatastrophe
des El Niño, sinkende
Erdölpreise und eine anschließende Finanzkrise mündeten 1999 in
ein albtraumhaftes Jahr mit einer Inflation von über 100 %. Da
Ecuadors Export zu über 50 % aus Erdöl besteht (beinahe eine
Monokultur), ist das Land extrem abhängig von internationalen
Erdölpreisen und erlebt je nach Höhe des Erdölpreises
dementsprechende "Aufs" und "Abs" in der Wirtschaft. Diese
Abhängigkeit ist tragisch und erklärt so manche schweren Jahre in
ihrer Wirtschaftsgeschichte.
Erst die Einführung des
Dollars im Jahr 2000 stabilisierte das Land und lies neue Hoffnung
und Optimismus entstehen (heute gibt es nur noch eine Inflation von
1,8%). In den nächsten sechs Jahren ging die Armut (= unter 3,2 $
täglich pro Kopf) im Land von 58% auf 26% zurück, - unfassbare 4%
jährlich. Auch nach dem Regierungswechsel 2007 wurde unter Präsident
Rafael Correa die landesweite Infrastruktur weiterhin ausgebaut,
jedoch auf Kosten einer großen Verschuldung, da der Präsident alle
Gelder nutzte, um sich einen größeren Regierungsapparat zuzulegen.
Mit der Verdopplung der Beamten (und zusätzlich deren Gehälter!)
besitzt Ecuador nun mehr Ministerien als sonst ein Land auf der Welt.
Dafür wurde in 9 Jahren mehr Geld ausgegeben, als in 32 Jahren zuvor
und die Staatsschulden haben sich verdreifacht. 2016 wird Ecuador nun
aufgrund von ausbleibendem Wirtschaftswachstum und einem deutlichen
Bevölkerungsanstieg einen Negativwachstum des BIP von 4,5% zu
erwarten haben. Und wider Erwartens sind die Erdbeben von April und
Mai 2016 nicht ein weiterer Faktor, der dieses Ergebnis verursachte,
sondern im Gegenteil. Durch den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete
wurde Ecuadors Wirtschaft angekurbelt, sodass die Erdbeben Ecuador
dieses Jahr vor einem noch deutlich schlechteren BIP – Wert
gerettet haben könnte.
Mit dem Dollar gehen
viele Vorteile einher, allerdings ist das kleine südamerikanische
Land damit auch stark abhängig von den USA (zusätzlich zur
Abhängigkeit von internationalen Erdölpreisen), da sie sich nur das
Zahlungsmittel "gemobst", allerdings nicht wie in einer
Währungsunion Einfluss auf ihre Geldpolitik haben. Inzwischen gilt
die Lage aber als stabil und der Dollar ist nicht mehr wegzudenken.
Trotzdem würde man dem Land mit Blick auf die Wirtschaft am liebsten
zurufen: ¡Cuídate!.
Mit diesen Informationen kann ich nun in die Ferien starten und hoffe, euch bald von meiner Peru - Reise berichten zu können.
Bis dahin, eure
Clara